Um die sozialen Auswirkungen im Erbfall abzufedern, hat der Gesetzgeber verschiedene Begünstigungen in das Erbschaftsteuerrecht eingefügt. So gibt es hohe Freibeträge und neben üblichem Hausrat ist unter bestimmten Bedingungen auch ein Familienheim von der Steuer befreit. Doch beim zugehörigen Grundstück liegt die Sache nicht so einfach. Welche Grundstücke konkret in die Steuerbefreiung mit einzubeziehen sind, hatte das Finanzgericht Niedersachsen in seinem Urteilsfall vom 12. Juli 2023 (3 K 14/23) zu entscheiden.
Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt (Lage-Finanzamt). Die so festgestellten Werte sind dann als sogenannte Grundlagenbescheide von dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt in den Erbschaftsteuerbescheid zu übernehmen. Über die Steuerbefreiung für ein Familienheim wiederum entscheidet das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt.
Feststellungsbescheid des Finanzamtes versus Grundbucheintrag
Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben. Fünf dieser Flurstücke waren zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch eingetragen. Auf einem dieser fünf Flurstücke stand das Familienheim. Anders als im Grundbuch eingetragen, hat das Lage-Finanzamt nach Bewertungsrecht drei der fünf im Grundbuch vereinigten Flurstücke in einem Bescheid zusammengefasst und für diese einen Gesamtwert festgestellt. Darunter fielen das Flurstück mit dem Familienheim, ein unbebautes angrenzendes Gartengrundstück und ein Wegegrundstück. Das Lage-Finanzamt führte in den Erläuterungen zum Feststellungsbescheid aus, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim ggf. nur für das eine Flurstück zu gewähren sei, auf dem das Haus stehe.
Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt folgte diesem Hinweis in den Erläuterungen. Es übernahm in den Erbschaftsteuerbescheid nicht den festgestellten Gesamtwert für die drei Flurstücke, sondern rechnete aus dem Gesamtwert den Wert des mit dem Einfamilienhaus bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur in dieser Höhe die Steuerbefreiung. Das Finanzamt verweist darauf, dass in dem Gesetzeswortlaut nicht näher bestimmt sei, in welchem Umfang der zu der Wohnung gehörende Grund und Boden an der Begünstigung teilhat.
Wären übergroße Grundstücke gänzlich unter die Befreiungsvorschrift zu fassen, könnten diese jederzeit geteilt, teilweise veräußert oder anderweitig bebaut werden, ohne dass es eine Auswirkung auf die Befreiung hätte, denn schädlich sei lediglich, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutze. Bei einem Verkauf von Teilflächen käme es nicht zu einer Nachversteuerung. Die Intention des Gesetzgebers für die Steuerbefreiung in Form des Schutzes des Familienvermögens ginge hinsichtlich dieser Grundstücksteile ins Leere, denn insoweit handele es sich gar nicht um schützenswertes Vermögen.
Der Steuerpflichtige hingegen beantragte die Steuerbefreiung für alle drei Flurstücke.
Das Finanzgericht folgte der Entscheidung des für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamtes und entschied, dass nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks (oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche) von der Erbschaftsteuer befreit ist.
Weder-Noch-Entscheidung von Finanzamt und Finanzgericht
Mit dieser Vorgehensweise trafen das Finanzamt und das Finanzgericht eine Weder-Noch-Entscheidung. Denn weder legten sie die zivilrechtliche Sichtweise, d.h. die Eintragung im Grundbuch mit fünf Flurstücken, noch die bewertungsrechtliche Sichtweise (drei Flurstücke) zu Grunde. Das Gericht vertrat vielmehr die Ansicht, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte. Es sei verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. Deswegen könne für die Steuerbefreiung nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts abgestellt werden. Stattdessen sei die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (und sollte diese nicht gegeben sein, gegebenenfalls auf eine Teilfläche) zu begrenzen.
Als Begründung führte das Finanzgericht an, dass es ansonsten zu einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits kommen könne.
Hinweis: Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Die vom Finanzgericht zugelassene Revision wurde eingelegt und ist unter dem Aktenzeichen II R 27/23 beim Bundesfinanzhof anhängig. Steuerpflichtige, bei denen das Finanzamt die erbschaftsteuerliche Steuerbefreiung für ein Familienheim in ähnlicher Weise begrenzen will, sollten unter Bezugnahme auf das anhängige Verfahren Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen.