Ungewollte Kinderlosigkeit ist immer noch eines der großen Tabuthemen unserer Zeit. Dies kann emotional sehr belastend sein, nicht nur, wenn die potenziellen Großeltern irgendwann anfangen nachzufragen, wann es denn endlich soweit sei. Und auch wenn die Reproduktionsmedizin große Fortschritte gemacht hat, ist es immer wieder ein kleines Wunder, wenn ein Baby gesund auf die Welt kommt. Das Finanzgericht Münster hatte in seinem Urteil vom 25. Juni 2024 (14 K 1085/23) zu entscheiden, ob die Kosten für eine Auslandsadoption nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde zugelassen.
Adoption zur Erfüllung des Kinderwunsches
Die Eheleute im Streitfall waren ungewollt kinderlos. Aufgrund medizinischer Indikationen sowohl beim Ehemann als auch bei der Ehefrau war eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg nicht möglich. Mehrere Kinderwunschbehandlungen blieben erfolglos. Zur Erfüllung des Kinderwunsches adoptierten die Eheleute daher mithilfe einer Adoptionsvermittlungsstelle zwei Kinder aus dem Ausland. Die dafür entstandenen Kosten setzten die Eheleute in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen an.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung mit Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 10. März 2015 (VI R 60/11) ab. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH seien Aufwendungen für Auslandsadoptionen weder aus rechtlichen noch aus sittlichen Gründen zwangsläufig und damit nicht zu berücksichtigen.
Die Steuerpflichtigen legten Einspruch dagegen ein. Die Rechtsprechung sei nach dem neuen Adoptionshilfe-Gesetz überholt. Des Weiteren seien Adoptionskosten ebenso wie Kosten einer künstlichen Befruchtung außergewöhnliche Belastungen. Die Adoption ziele ebenso wie die künstliche Befruchtung auf die Beseitigung der ungewollten Kinderlosigkeit ab. In beiden Fällen liege eine tatsächliche Zwangslage vor. Warum der Kinderwunsch ungewollt kinderloser Steuerpflichtiger bis einschließlich der Kinderwunschbehandlung zwangsläufig sei und nach dem Ende einer erfolglosen medizinischen Kinderwunschbehandlung „nur“ noch der privaten Lebensführung zugeordnet werde und damit nicht mehr zwangsläufig sei, sei nicht nachvollziehbar.
Außergewöhnliche Belastungen müssen zwangsläufig sein
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, so wird der Teil der Aufwendungen, der die zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen.
In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen.
Im Hinblick auf die erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch indizierte Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Deshalb werden regelmäßig auch Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl der körperliche Mangel durch die betreffende Maßnahme nicht behoben, sondern nur „umgangen“ oder kompensiert wird.
Adoptionskosten nicht mit Krankheitskosten vergleichbar
Die Aufwendungen aufgrund der Adoption eines Kindes stellen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dagegen keine Krankheitskosten dar. Eine medizinische Leistung liegt weder vor noch kann der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt werden. Die Vorstellung von einer Adoption als medizinisch indizierter Heilbehandlung oder dieser gleichgestellten Maßnahme wäre zudem auch nicht mit dem Grundrecht des Adoptivkindes auf Unantastbarkeit der Menschenwürde vereinbar, weil ein solches Verständnis das Adoptivkind zu einem bloßen Objekt herabwürdigen würde, das zur Linderung einer Krankheit der Adoptiveltern diente.
Die Aufwendungen sind auch nicht aus anderen tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Der Entschluss zur Adoption beruht nicht auf einer Zwangslage, sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind anzunehmen. Die Finanzrichter sind nicht davon überzeugt, dass der Entschluss der Steuerpflichtigen zur Adoption unausweichlich geboten war. Er beruht vielmehr auf einer vom Willen der Eheleute getragenen (neuen) freien Entscheidung, die ungewollte Kinderlosigkeit nunmehr durch Adoptionen zu beenden. Diese Entscheidung war nicht der individuellen Gestaltung der Eheleute entzogen. Sie hätten sich auch gegen eine Adoption entscheiden können. Daher lehnte das Finanzgericht Münster die Berücksichtigung der Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen ab.