Jahressteuergesetz 2024: Kaum ist die Tinte auf dem nach fast neunmonatigem Ringen beschlossenen Wachstumschancengesetz trocken, da hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bereits einen 240 Seiten starken Entwurf für das neue Jahressteuergesetz 2024 veröffentlicht. Es enthält viele verfahrensrechtliche Regelungen, insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung.
Aus Erfahrung ist klar: Kein Gesetz verlässt das Gesetzgebungsverfahren so, wie es hineinkam. Was von den nachfolgenden Ideen dann am Ende Gesetz wird und wann, bleibt abzuwarten. Für einige Regelungen ist eine rückwirkende Anwendung ab 1. Januar 2024 geplant.
Lesen Sie in Teil II unserer Serie, was sich in der Umsatzsteuer ändern soll. Im Teil I informieren wir Sie zu den geplanten Änderungen bei der Einkommensteuer.
Durchschnittssatz für Land- und Forstwirte
Geplant ist die weitere Absenkung des Umsatzsteuersatzes für pauschalierende Betriebe von 9 Prozent auf 8,4 Prozent für das Kalenderjahr 2024. Die Regelung war bereits für das Wachstumschancengesetz vorgesehen, wurde aber nicht Gesetz.
Auch eine automatisierte Anpassung des Durchschnittsteuersatzes für Landwirte ab dem Jahr 2026 ist geplant. Hierzu sind die Vorsteuern aller pauschalierenden Landwirte zu den Umsätzen aller pauschalierenden Landwirte ins Verhältnis zu setzen. Das BMF hat den ermittelten Durchschnittssatz sowie die der Berechnung zugrunde liegenden Daten spätestens bis zum 1. Juli des Jahres, in dem dieser ermittelt worden ist, im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Der ermittelte Durchschnittssatz gilt dann ab dem 1. Januar des Folgejahres.
Änderungen bei der Kleinunternehmerregelung
Bislang konnten nur im Inland ansässige Unternehmer die Kleinunternehmerregelung im Inland in Anspruch nehmen. Die Neuregelung ermöglicht auch im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern, die Kleinunternehmerregelung in Deutschland anzuwenden. Damit im Inland ansässige Unternehmer die Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nehmen können, wird ein besonderes Meldeverfahren eingeführt. Zuständig für die Durchführung des Meldeverfahrens ist das Bundeszentralamt für Steuern. Die Änderungen sollen zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Des Weiteren sollen die maßgebenden Umsatzgrenzen angehoben werden. Voraussetzung für die Befreiung soll sein, dass der inländische Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet.
Nach der bisherigen Regelung war als weitere Voraussetzung zu Beginn des Kalenderjahres eine Prognose zur voraussichtlichen Höhe des Gesamtumsatzes erforderlich. Sofern die Prognose für den Gesamtumsatz 50.000 Euro nicht überschritten hat, war eine Anwendung der Kleinunternehmerregelung für das gesamte laufende Kalenderjahr zulässig. Auch wenn der tatsächliche Umsatz 50.000 Euro im Laufe des Kalenderjahres entgegen der Prognose überstiegen hat, konnte die Kleinunternehmerregelung bis zum Ende des Kalenderjahres angewandt werden.
Diese offene Ausgestaltung ist unionsrechtlich nicht mehr zulässig. Soweit der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr den Grenzwert von 100.000 Euro überschreitet, kommt eine weitere Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind steuerfrei.
In Anlehnung an die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen für steuerlich beratene Steuerpflichtige hat der inländische Kleinunternehmer bis zum letzten Tag des Monats Februar des übernächsten Kalenderjahres die Möglichkeit, den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu erklären.
Unberechtigter Steuerausweis auch bei Gutschriften
Die Neuregelung schließt eine durch die Rechtsprechung entstandene Regelungslücke. Sie bestimmt, dass eine Person zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann schuldet, wenn der Steuerausweis in einer Gutschrift erfolgt. Mit Urteil vom 27. November 2019 – V R 23/19 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) u. a. entschieden, dass eine Gutschrift, die nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist, einer Rechnung nicht gleichsteht und keine Steuerschuld begründen kann.
Vorsteueraufteilung nach Gesamtumsatzschlüssel
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass im Fall einer Vorsteueraufteilung eine Berechnung der nicht abzugsfähigen Vorsteuern nach dem Gesamtumsatzschlüssel nur dann möglich ist, wenn dieser der einzige mögliche Aufteilungsmaßstab ist. Er ist damit nachrangig zu anderen, präziseren (und sachgerechten) Aufteilungsmethoden.
Ort der sonstigen Leistung bei virtuellen Veranstaltungen
Der Ort der sonstigen Leistungen für Streaming-Leistungen wird an die EU-Rechtsprechung angepasst. Kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen, wie Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, an einen Endverbraucher, werden dort ausgeführt, wo sie vom Unternehmer tatsächlich erbracht werden.
Werden die Leistungen per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht, gilt als Ort der sonstigen Leistung der Ort, an dem der Empfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen (§ 4 Nummer 21 UStG)
Die Vorschrift über Bildungsleistungen wird neu gefasst und die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie damit umgesetzt. Das wurde höchste Zeit, hat doch die EU diesbezüglich bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Nach der Neuregelung fallen unter die Steuerbefreiung: der Schul- und Hochschulunterricht, die Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen erbracht werden. Der Begriff „Einrichtungen“ umfasst dabei auch natürliche Personen, Personenzusammenschlüsse und Gesellschaften mit Gewinnerzielungsabsicht. Auch selbständige Lehrer, die ihrerseits als freie Mitarbeiter Unterrichtsleistungen an Schulen, Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen erbringen, sind als andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen anzusehen.
Leistungen der Fortbildung sollen jedich nur dann umsatzsteuerbefreit sein, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden.
Steuerbefreit soll zukünftig auch Schul- und Hochschulunterricht sein, der von Privatlehrern erteilt wird. Eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ist nach der Neufassung nicht mehr erforderlich.
Umsatzsteuerbefreiung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sport
Auch diese Neuregelung hat das Ziel der vollständigen Umsetzung der Vorgaben durch die EU. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie sieht eine Steuerbefreiung für bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport- und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen vor, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport- oder Körperertüchtigung ausüben. Hierunter fallen jedoch beispielsweise nicht Beratungsleistungen eines Dachverbands für die Sportvereine im Bereich des Marketings und der Gewinnung von Sponsoren.
Die Steuerbefreiung kann auch für Leistungen an Personen in Betracht kommen, die nicht Mitglieder der begünstigten Einrichtung sind. Die neue Steuerbefreiung umfasst auch die bislang anderenorts geregelten sportlichen Veranstaltungen. Auch die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen durch Einrichtungen ohne Gewinnstreben soll unter die neue Steuerbefreiung fallen, wenn die Nutzungsüberlassung in engem Zusammenhang mit Sport oder Körperertüchtigung steht.
Unternehmereigenschaft juristischer Personen
Die Übergangsfrist für die zwingende Anwendung der Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, die bereits am 31. Dezember 2020 enden sollte, wurde immer wieder verlängert, zuletzt bis zum 31. Dezember 2024. Der Gesetzentwurf sieht nun eine erneute Verlängerung der Übergangsfrist um weitere 2 Jahre vor.
Neue Pflichtangabe auf Rechnungen und Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs
Es soll eine neue Rechnungspflichtangabe für den Fall eingeführt werden, dass der Rechnungsaussteller der Ist-Versteuerung unterliegt. In diesem Fall muss der Hinweis „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ erfolgen. So erhält der Rechnungsempfänger die notwendige Information, um den zutreffenden Zeitpunkt für seinen Vorsteuerabzug bestimmen zu können. Dieser ist nach der geplanten Änderung des Umsatzsteuergesetzes erst möglich, wenn der Unternehmer eine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung besitzt und
a) die Leistung ausgeführt worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinbarten Entgelten berechnet,
b) soweit eine Zahlung auf eine ausgeführte Leistung geleistet worden ist, wenn der leistende Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet.
Der EuGH hat entschieden, dass der Steueranspruch gegenüber dem Leistungserbringer erst mit Vereinnahmung des Entgelts entsteht. Der Leistungsempfänger kann dementsprechend den Vorsteuerabzug unter diesen Umständen auch erst zu diesem Zeitpunkt vornehmen.
Die Regelungen sollen ab 1. Januar 2026 gelten.
Welche Regelungen im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 für die Umsatzsteuer geplant sind, erfahren Sie im ersten Teil unserer Artikelreihe zum Jahressteuergesetz.